Ziele ethischen Finanzmanagements in der Evangelischen Kirche in Deutschland

Die Frage wie ein ethisches Finanzmanagement in der evangelischen Kirche aussehen soll, wird vielfach und immer wieder in allen Bereichen des kirchlichen Umgangs mit Geld diskutiert. Kirchliche Anlagerichtlinien - wie die des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) - brauchen häufig dafür eine ebenso knappe, wie zutreffende Definition: „Mit finanziellen Mitteln ist so umzugehen, wie es mit dem kirchlichen Auftrag vereinbar ist.“ Nun kann und wird man darunter wieder eine ganze Reihe von ethischen Grundsätzen subsumieren müssen.

Welches sind nun aber die Ziele eines ethischen Finanzmanagements in der evangelischen Kirche in Deutschland? Dazu soll zunächst ein Blick auf die Finanzgrundlagen in den Gliedkirchen der EKD geworfen werden. In der evangelischen Kirche in Deutschland werden jährlich durchschnittlich insgesamt 10 Milliarden Euro bewegt (umgesetzt). Diese haben ihren Ursprung zu 40% bis 50% in Kirchensteuereinnahmen, zu 3% im Kollektenaufkommen und in Spenden. Gut ein Drittel entfällt auf den Bereich staatlicher Zuschüsse im Rahmen des in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Subsidiaritätsprinzips, auf Fördermittel, auf Investitionszuschüsse und auch in geringerem Maße auf Darlehnsaufnahmen. Der Rest sind Entgelte für kirchliche Dienstleistungen sowie Vermögenseinnahmen wie Mieten, Pachten, Betriebskostenerstattungen und Zinserträge. Gut 50% der finanziellen Mittel in der EKD beruhen also auf den Gaben der Gemeindeglieder. Dies ist die wesentliche und wichtigste Finanzierungsquelle, ohne diese wären die anderen Mittel, die Drittmittel und auch die Entgelte gar nicht zu erlangen. Es macht also Sinn, die Ziele ethischen Finanzmanagements von den Zielen der Geber - den Gemeindegliedern - her zu betrachten. Für diese ist klar; sie geben ihr Geld für kirchliche Aufgaben nur aus einem einzigen Grund, dass nämlich kirchliche Arbeit geschehe! Es geht den Gebern wesentlich darum, dass ihr Geld nicht nur grundsätzlich, sondern auch möglichst unmittelbar kirchlichen Zwecken zugute kommt. Es soll für die Zwecke ausgegeben und nicht weggelegt werden. Nun ist es eine der wesentlichen Funktionen des Geldes, als Austauschmittel für Leistungen zu fungieren. Die Gaben der Gemeindeglieder ermöglichen das Erbringen kirchlicher Leistungen. Ihr Geld fließt damit zunächst - wie auch alle anderen der genannten Mittel - dem Grunde nach tatsächlich unmittelbar in einen kirchlichen Finanzkreislauf ein.

Daher ist es sinnvoll, zunächst die kirchlichen Finanzkreisläufe zu skizzieren. Es lassen sich drei Finanzkreisläufe unterscheiden:

  • ein Gemeindekreislauf,
  • ein Funktionskreislauf und
  • ein Generationenkreislauf.

Im Gemeindekreislauf lässt sich darstellen, dass das Geld von den Gemeindegliedern, also der Gemeinde, an die kirchliche Verwaltung weitergeleitet wird, die diese auf einer Bank - in der Regel in Deutschland einer kirchlichen Genossenschaftsbank - zwischenlagert. Von dort wird es für kirchliches Handeln abgerufen und erfüllt damit den von der Gemeinde erwarteten Zweck und bewegt letzten Endes die Gemeindeglieder wieder dazu, auch weiterhin Geld für kirchliche Zwecke zur Verfügung zu stellen.

Der Funktionskreislauf wird das Austauschverhältnis zwischen der kirchlichen Genossenschaftsbank und den kirchlichen Handlungsebenen abgebildet. Hier bezieht sich dies auf eine der Hauptfunktionen kirchlicher Banken: Darlehen für kirchliche Aufgaben zu gewähren. Das ist insbesondere für Bereich der Diakonie wichtig, aber auch für Investitionen im Bereich der Kirchen und ihrer Gemeinden namentlich für die Gebäudeunterhaltung, also überall dort, wo ein spezieller Finanzbedarf die gegenwärtigen Finanzierungsmöglichkeiten übersteigt und eine zeitliche Vorziehung erwarteter Einnahmen nötig und möglich ist.

Der dritte der Finanzkreisläufe ist ein Generationenkreislauf. Es ist eine Aufgabe kirchlichen Finanzmanagements, die Kosten transparent und verursachungsgerecht. Lasten sind letztlich da zu tragen, wo auch der Nutzen liegt. Daraus ergibt es sich, auch und gerade diejenigen Lasten, die Versorgungslasten, die erst in einer kommenden Generation fällig werden, heute schon finanziell sicher zu stellen. Gerade in einer Zeit einer sinkenden Gemeindegliederbasis ist es unverzichtbar, eine solche Vorsorge zu treffen - andererseits müssten die Lasten für die kommenden Generationen überdurchschnittlich anwachsen. Im Generationskreislauf gilt es also nicht - wie bei dem Gemeinde- oder Funktionskreislauf - kleine, mittlere oder mittelgroße Zeiträume zu überbrücken, sondern Zeiträume über Generationen. Die Landeskirchen haben dazu Versorgungssysteme errichtet, die sich für die notwendigen Geldanlagen in der Regel der Dienstleistung von Investmentinstituten bedienen, die ihrerseits finanzielle Investments in geeignete Anlageformen und Objekte vornehmen. Solche Investments bringen Erträge, die den Versorgungssystemen zugute kommen. Dadurch entsteht zunächst ein interner Kreislauf, der dann durch zeitliche Überbrückung das Versorgungssystem langfristig stabilisieren soll.

Interessant ist nun, welche Finanzvolumina in den Finanzkreisläufen bewegt werden. Im Bereich der verfassten Kirche gehen wir im Gemeindekreislauf von immerhin zehn Milliarden Euro aus, das entspricht in annähernd dem Begriff des Umsatzes in der freien Wirtschaft. Es handelt sich hier um Umlaufmittel. Der Funktionskreislauf ist mit etwa 15 Milliarden Euro anzusetzen. Es handelt sich hier im Wesentlichen um Investitionsmittel, die allerdings nur zu einem kleineren Teil den Bereich der Landeskirchen einbeziehen (hier vornehmlich für Baumaßnahmen), sondern vielmehr dem Bereich diakonischen Handelns zu Gute kommen. Auch im Generationenkreislauf ist von etwa 15 Milliarden Euro auszugehen. Hier handelt es sich um echte Finanzanlagen.

Betrachtet man diese Finanzkreisläufe unter der Ausgangsfragestellung, so stellt sich die Frage, ob es etwa einen gemeinsamen Begriff gibt, mit dem man das ethische Ziel dieser Finanzkreisläufe beschreiben kann? Ich glaube, dass es der Begriff der Gerechtigkeit ist, der das am eindeutigsten erfasst.

Im Gemeindekreislauf geht es um Verteilungsgerechtigkeit, nämlich darum, wie die Mittel in einer Kirche verteilt werden: Gleichmäßig oder bedarfsgerecht? Solidarisch und eigenverantwortlich? Oder nur eigenverantwortlich? Wie kommen sie in der Gemeinde zur Wirkung? Die kirchlichen Verteilsysteme, die Finanzgesetze versuchen, diese Frage zu beantworten und die Verteilungsgerechtigkeit so zu optimieren, dass ein eigenverantwortliches Handeln möglich ist - ohne die notwendige Solidarität zu verletzen.

Im Funktionskreislauf geht es schlicht um eine Form der Austauschgerechtigkeit, nämlich ob die Konditionen die den Beziehungen zugrunde liegen, angemessen sind, auf der Aktivseite ebenso wie auf der Passivseite. Welche Konditionen sind für die Investitionsnehmer leistbar? Einerseits orientieren sich diese am gewöhnlichen Kapitalmarkt, andererseits leisten kirchliche Banken so Bemerkenswertes: Kirchliches Geld kommt wieder in kirchliche Kassen und dient damit kirchlichen Zwecken - ein Austausch, der zugleich einem hohen ethischen Anspruch einer Geldanlage entspricht.

 Beim Generationenkreislauf geht es zunächst natürlich um die Generationengerechtigkeit, nämlich um die Frage, wie man sicherstellen kann, dass nicht nachkommende Generationen unseren Nutzen zu Lasten ihrer eigenen Handlungs- und Leistungsfähigkeit finanzieren müssen? Das ist das eigentliche Ziel dieses Kreislaufes! Aber: die Geldanlagen entfalten externe Sekundärwirkungen. Diese externen Wirkungen ergeben sich daraus, dass dieses Geld nicht in einen internen (jedenfalls nicht unmittelbar) Kreislauf gelangt, sondern zu seiner Mehrung einen Ertrag, eine Rendite erbringen soll. Darum werden diese finanziellen Mittel ja professionellen Investmentbanken anvertraut. Die Betrachtung der externen Wirkungen muss natürlich ebenfalls den ethischen Ansprüchen eines kirchlichen Finanzmanagements genügen.
Es ist dann zu fragen, wie solche Investments als gerechte Investments getätigt werden können. Für uns Christen gilt, dass wir, bei allem was wir tun, auf Gottes Gebot achten. Kann man auch bei Investments dazu eine solche Grunddefinition aufstellen, die etwa dem - wie Jesus selbst es nennt - "höchstem Gebot genügt? „Du sollst Gott, Deine Herrn, von ganzen Herzen und ganzem Gemüt lieben und Deinen Nächsten wie Dich selbst.“ Gilt das auch bei Investments? Ja. Gerechte Investments lassen sich m. E. so definieren:

Ein Investment soll uns und unseren Partnern und deren Partnern Nutzen bringen und nicht schaden. Partner in diesem Sinne sind auch: unsere Umwelt, unsere Mitwelt und unsere Nachwelt.

Diese Definition könnte eine kirchenspezifische Definition ethischer Geldanlagen sein. Sie hat eine gemeinsame Schnittstelle mit den bekannten Begriffen nachhaltigen, sozialverantwortlichen oder ethischen Investments, aber einen anderen Ansatzpunkt – dieser ist mehr partnerschaftlich gewählt und weiß, dass es allzu oft keine Anlage gibt, die ganz problemlos wäre...

Gerechte Investments - wie stellen wir das sicher? Im Bereich der evangelischen Kirche in Deutschland sind alle klassischen Maßnahmen nachhaltigen und sozialverantwortlichen Investments im Gebrauch. Zwar gibt es noch keinen breiten Grundkonsens, zwar gibt es noch Handlungsbedarf in der Bündelung der Kräfte, zwar gibt es noch einen erheblichen Handlungsbedarf bei der Sicherung eines guten Informationsservice - grundsätzlich kann man aber davon ausgehen, dass wir diesbezüglich in den vergangenen Jahren gut vorangekommen sind; die Instrumente sind verfügbar und zunehmend Allgemeingut bei den Finanzverantwortlichen. Dennoch möchte ich diese klassischen Maßnahmen nachhaltigen und sozialverantwortlichen Investments nur als eine kleine Lösung des Problems bezeichnen.

Ich bezeichne diese Maßnahmen als „kleine Lösung“, weil sie einige fundamentale Fragen der heutigen Finanzwirtschaft nicht beantworten und schon gar nicht lösen können. Was treibt den Kapitalmarkt? Wie kann man eine „Asienkrise“, eine „Brasilienkrise“ oder eine „Subprime-Krise“ verhindern? Was muss man tun, dass sich der Preis des Reises eben nicht binnen weniger Monate verdreifacht? Ethische Investments können negative Beeinträchtigungen der Umwelt, der Mitwelt und der Nachwelt minimieren, aber diese wesentlich fundamentaleren Probleme nicht einmal ansatzweise lösen helfen.

Vielleicht ist die Bibel da weiter?

Gerecht ist, sagt der Prophet Hesekiel, „der niemand bedrückt, der dem Schuldner sein Pfand zurückgibt und niemand etwas mit Gewalt nimmt, der mit dem Hungrigen sein Brot teilt und den Nackten kleidet, der nicht auf Zinsen gibt und keinen Aufschlag nimmt, der seine Hand von Unrecht zurückhält und rechtes Urteil fällt unter den Leuten, der nach meinen Gesetzen lebt und meine Gebote hält, dass er danach tut: das ist ein Gerechter, der soll das Leben behalten, spricht Gott der HERR.“

Das ist das biblische Zinsverbot. Die Frage, ob das Zinsverbot heute noch aktuell ist, hat leider keinen weit verbreiteten Stellenwert. Welche Bedeutung dieser Frage allerdings zukommt, zeigt folgende Überlegung:
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Bundesrepublik Deutschland betrug 1950 etwa 250 Mrd. Euro, die Summe aller Geldvermögen bzw. Schulden etwas mehr als 140 Mrd. Euro. Im Jahr 2000 betrug das BIP 1.700 Mrd. Euro, also das siebenfache – Geldvermögen und Schulden aber sind mit 4.600 Mrd. Euro um das 32fache gestiegen! Zugleich sind die Zinserträge der deutschen Banken auf das 34fache (= 370 Mrd. Euro in 2000) angestiegen.

Das zieht zwingend die Frage nach sich, inwieweit die finanziellen Transaktionen noch vom realen Wert unseres wirtschaftlichen Handelns gedeckt werden können?

Teilt man die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland auf zehn Haushaltsgruppen mit je 3,8 Millionen Haushalten auf, so zeigt sich, dass nur in einer Gruppe der Zinsertrag der Haushalte höher ist, als die Zinslasten. Das ergibt sich daraus, dass in den Waren und Dienstleistungen immer Zinsaufwendungen als Kostenfaktor auftreten. Der Zinsmechanismus führt also dazu, dass die Belastungen für den größeren Teil der Bevölkerung steigen, während die Erträge nur einem kleinerem Teil - dem, der genügend Geld hat, es verzinslich anzulegen - tatsächlich wirksam zugute kommen.

Dieser Mechanismus wirkt selbstverständlich in den Volkswirtschaften ebenso wie in den globalen finanziellen Verflechtungen. Auch sozialverantwortliche Investments können sich diesem Mechanismus nicht entziehen. Eine „große Lösung“ hieße daher, darauf hinzuwirken, die Marktwirtschaft von den Auswüchsen des Kapitalverkehrs zu entkoppeln. Dafür habe ich jedoch hier und heute keine tragfähige Antwort. Ich glaube aber, dass eine solche große Lösung eine Herausforderung ersten Ranges darstellt, um die Zukunft dieser Welt zu sichern. Dazu braucht es einen verstärkten Austausch aller Kräfte. Es bräuchte ein neues gesellschaftliches Basiswissen und auch einen breiten gesellschaftlichen Grundkonsens. Unsere Aufgabe im Sinne dieser großen Lösung wäre wenigstens, nicht zu vergessen, dass dieses Problem noch seiner Lösung harrt. Auch das wäre ein Beitrag der Kirchen und ein nicht unwesentliches Ziel ethischen – gerechten! - Finanzmanagements.

Vortrag von Thomas Begrich auf der Konferenz "Kirchen und sozial verantwortungsbewusstes Investment" der Konferenz Europäischer Kirchen in Brüssel am 6. Mai 2008

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