Vom Geld der Kirche

Die sind doch reich - sagt der Mann auf der Straße.
Die können doch gar nicht richtig mit Geld umgehen - sagt der Banker.
Wir haben nicht genug, um unsere Aufgaben zu erfüllen - sagt der Bischof.
Was stimmt denn nun?

Die sind doch reich

In der Tat: Wenn man sich die 10 Milliarden Euro vorstellt, die alle zwanzig evangelischen Landeskirchen mit ihren Kirchengemeinden jährlich für ihre Aufgaben zur Verfügung haben (die gesellschaftsrechtlich verfassten Einrichtungen der Diakonie dürften mehr als das Doppelte haben bzw. benötigen), dann klingt das sehr viel - verglichen etwa mit dem jährlichen Tabaksteueraufkommen von 14 Milliarden Euro, ist es eher wenig.

Wo kommt aber das Geld der Kirche  her?

  • 45% sind Gaben der Gemeindeglieder (Kirchensteuern, Spenden und Kollekten),
  • 35% Drittmittel (vornehmlich Fördermittel und Zuschüsse der öffentlichen Hand, die die Kirchen für die Leistungen erhalten, die sie für die Gesellschaft erbringen z.B. für die Unterhaltung von Kindergärten),
  • etwa 20% sind Entgelte für kirchliche Dienstleistungen, Pachten, Mieten, Kapitalerträge, Betriebskostenerstattungen usw.

Vornehmlich ist es also die Kirchensteuer, die als Mitgliedsbeitrag die finanzielle Basis kirchlicher Arbeit darstellt. Durch die enge Anbindung an die staatliche Lohn- und Einkommensteuer bildet sie die Prinzipien der Lastentragung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und  Steuergerechtigkeit nach. Zugleich sichert sie die Unabhängigkeit der Kirche: vom Staat einerseits, aber auch etwa von wohlhabenden Mitgliedern, die so nicht wie in anderen Leistungssystemen unbilligen Einfluss auf die Kirche und ihre Verkündigung nehmen können. Diese Ausgestaltung schafft eine stabile Finanzgrundlage und lässt die Kirche so zugleich am Wohl und Wehe ihrer Mitglieder teilhaben. Die Kirchensteuer ist auch keineswegs ein deutscher Sonderweg, wie oft gemeint wird: die Schweiz, Schweden oder Finnland kennen das ebenso. Für manche ist die Kirchensteuer ein Ärgernis, „Zwangsabgabe“ heißt es gelegentlich. Das ist sie nicht: sie ist der finanzielle Beitrag, den die Mitglieder, die der Kirche – doch freiwillig – angehören, leisten. Mit ein bis zwei Prozent des Bruttoeinkommens ist sie weit vom biblischen Zehnten entfernt. Der staatliche Kirchensteuereinzug geht auf die Säkularisierung zurück: Bis weit in das 19.Jahrhundert wurde Kirche als eine öffentliche Angelegenheit betrachtet und in der Folge erheblich durch direkte staatliche Leistungen finanziert. Als sich diese enge Verquickung löste und die Finanzlast auf die Kirchenmitglieder übertragen wurde, wurde die Kirche damit vom Staat finanziell unabhängig. So schuf die Kirchensteuer die Voraussetzung für die Trennung von Staat und Kirche. Darum hat die Weimarer Reichsverfassung sie verfassungsrechtlich begründet und darum ist das Recht zur Erhebung der Kirchensteuer auch im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland niedergelegt. Das gilt übrigens nicht nur für die Kirchen.

Ähnlich verhält es sich mit den Zuschüssen der öffentlichen Hand. Das sogenannte Subsidiaritätsprinzip (es geht übrigens auf eine reformierte Synode in Emden 1571 zurück) stellt Eigenverantwortung vor staatliches Handeln. Subsidiarität ist ein Kennzeichen unserer Demokratie. Daher unterstützt der Staat jedes gemeinnütziges Handeln, also das auch der Kirchen und Religionsgemeinschaften. Solche Zuschüsse sind keine Subventionen.

Das Bundesverfassungsgericht bezeichnet das Verhältnis von Staat und Kirche in Deutschland als „fördernde Neutralität“:  Denn der Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Kirche und Religionsgemeinschaften leisten einen unentbehrlichen Beitrag zum Zusammenleben in der Gesellschaft. Sie bringen sich in den Prozess gesellschaftlicher Orientierung und Wertebildung ein und tragen so zur Erneuerung und Fortbildung von Grundhaltungen bei, ohne die kein demokratisches Gemeinwesen existieren kann. Manche Kritiker unseres Staats-Kirchen-Verhältnisses wollen das ändern. Auch Papst Benedikt XVI., als er bei seinem Besuch in Deutschland davon sprach, dass die von „materiellen und politischen Lasten und Privilegien befreite Kirche sich besser auf wahrhaft christliche Weise der ganzen Welt zuwenden“ könne? Eine solche Haltung verkennt, dass die Gesellschaft Kirche braucht und verkennt auch, dass die Kirchenmitglieder Teil der Gesellschaft sind, diese mittragen und  mitprägen. Sie sind Kirche - und ihr wahrer Reichtum.

Die können nicht richtig mit Geld umgehen

Können sie: Klare Verwaltungsregelungen sichern einen verantwortlichen Umgang mit Geld. In vielen Landeskirchen wird ein neues kirchliches Rechnungswesen eingeführt. Es soll die alte Denkweise ablösen, das Geld nur nach seinem Aufkommen zu verteilen, sondern fragt nach Zielen, Wirkungen und Herausforderungen. Verantwortung nicht nur für heute, sondern auch für die Zukunft, den nach uns kommenden Generationen. Auch die Sicherung der Versorgung der kirchlichen Mitarbeitenden ist eine besondere Herausforderung: trotz geringer werdender Gemeindegliederzahlen sind Pensionen und betriebliche Zusatzrenten noch gut 30 Jahre nach dem Dienstende sicherzustellen - in einer Zeit also, in der nach jetziger Erkenntnis die Gemeindegliederbasis sehr viel kleiner als heute sein dürfte. Trotzdem beruht das kirchliche Versorgungssystem keineswegs ausschließlich auf Kapitalmarkterträgen - vielmehr ist ein kapitalmarktgepuffertes Umlagesystem die Basis dafür, dass auch hier und in schwierigen Zeiten unseren Enkeln kein Chaos hinterlassen wird. Wichtig ist auch, wie mit dem Geld umgegangen wird: Ein „Leitfaden für ethisch nachhaltige Geldanlage in der evangelischen Kirche“ ist Wegweisung im Umgang mit den sogenannten Kapitalmärkten. Die Financial Times Deutschland bescheinigte, wer sich daran gehalten hätte, hätte keine Probleme in der Finanzkrise haben müssen. Genau davor blieben die Gemeinden und Landeskirchen also tatsächlich bewahrt. Vor allem aber: Kirche verlässt sich nicht auf Kapitalmärkte. Sie ist nicht wie die vielen öffentlichen Haushalte und Staaten ver- oder gar überschuldet. Wichtig ist auch, dass und wie kirchliche Genossenschaftsbanken helfen, das Geld in einem vornehmlich regionalen Kreislauf zu halten. Und schließlich: das finanzielle Handeln der Kirche ist transparent und öffentlich. Der Haushalt der EKD selbst und ihr Vermögen stehen für jedermann einsehbar im Internet. Gewählte Synoden entscheiden über die Haushalte: Es ist ja die Gemeinde, die die kirchliche Arbeit finanziert - so kann sie auch mitgestalten, wie sie geschieht.

Wir haben nicht genug, um unsere Aufgaben zu erfüllen

Die Kirchensteuereinnahmen sind derzeit höher als erwartet. Genug also? Sie sind auf dem Niveau von 1994. Seither gibt es aber einen Kaufkraftverlust von 28%! Da müssen also verantwortliche Kirchenleitungen und Synode entscheiden: Weniger Pfarrer, weniger Jugendarbeit, weniger für Kindertagesstätten oder für Gebäude oder gar für  Beratungstätigkeit oder was tun? Gemeinden erleben das teils schmerzhaft. Viel Geld also und doch nie genug! Die Ausgaben den Einnahmen anzupassen, bedeutet immer wieder neu über die Aufgaben nachzudenken: Nicht einfach kürzen – sondern strukturieren, sich Ziele setzen, danach fragen, was erreicht ist, was dran ist, was Not tut! Mission heißt doch auch, Neues zu wagen, Menschen zu erreichen, die bisher vielleicht nicht im Blick waren. Da ist viel Phantasie gefragt. Phantasie und Engagement. Und das ist schließlich noch wichtiger als Geld.

Beitrag aus: Publik-Forum, heft 21 vom 09. November 2012
Thomas Begrich


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